Grau, kalt und irgendwie ungemütlich. So langsam hoffen wir auf besseres Wetter und angenehmere Temperaturen, nicht nur in der Küche. Auch wenn einige Vögel bereits singen und Schneeglöckchen und Winterlinge ihre ersten Blüten zeigen, so richtig Frühling ist es noch nicht. Aber der März hat es in sich und in den kommenden Tagen/Wochen wird die Natur immer mehr erwachen und Farben und Gerüche lassen Lebensfreude aufkommen.
Ein erstes „Highlight“ ist für mich in jedem Frühjahr ein zunächst unscheinbares, 5cm kleines, stark behaartes und lichtliebendes Lebewesen. Es stellt recht hohe Ansprüche an die Temperatur und bevorzugt deshalb trockene Magerrasen in sonnigen Hanglagen auf kalkreichem Boden. Je nach Wetterlage zeigt es sich bereits Mitte März, spätestens aber Ende März in blau- oder rotvioletten Farben.
Es handelt sich um ...
die Gewöhnliche Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris), auch Gewöhnliche Kuhschelle genannt. Es ist eine Pflanzenart in der Familie der Hahnenfußgewächse.
Der Name „Küchenschelle“ hat nichts mit der Küche zu tun, sondern leitet sich eher von der Verkleinerungsform von Kuh = Kühchen ab. Die Form der halb geschlossenen Blüten, bei denen sechs zipfelförmige Blütenblätter eine hellviolette Glocke oder Schelle bilden, die an eine Kuhglocke erinnern, führte wohl zu dem Namen Kuhschelle.
Aus der Verkleinerungsform „Kühchen“ wurde im Laufe der Zeit die Bezeichnung „Küchen“. Daher der ungewöhnliche Name Küchenschelle. Die Anspielung auf die Glockenform der Blüten spiegelt sich auch im wissenschaftlichen Gattungsnamen Pulsatilla wieder, bezieht er sich doch auf das lateinische Wort pulsare für schlagen, läuten.
Aufgrund der starken Behaarung und der im geöffneten Zustand an Anemonen erinnernden Blüten wird sie auch in einigen Gegenden als Pelzanemone bezeichnet. Carl von Linne, der Begründer der modernen botanischen und zoologischen Taxonomie, bezeichnete sie 1753 als Anemone pulsatilla.
Die meisten von uns kennen die Gemeine oder Gewöhnliche Küchenschelle nur aus dem Garten. An ihrem natürlichen Standort wächst sie auf sonnigen, trockenen Grasflächen (Mager- und Halbtrockenrasen) in Hanglagen. Sie blüht violett von März bis April/Mai und bietet durch ihre zeitige Blühperiode ihren Bestäubern, den Bienen und Hummeln, eine hervorragende Nahrungsgrundlage in Form von Pollen und Nektar.
In der näheren Umgebung kann man diese attraktiven Pflanzen in größeren Beständen im NSG Schelmenkopf-Falkenstein (Donnersbergkreis) und im NSG Mittagsfels bei Niederalben (Kreis Kusel) bewundern.
Die fiederspaltigen, grünen Grundblätter erscheinen gleichzeitig mit den Blüten. Aus den rosettig angeordneten Grundblättern erhebt sich ein Stiel, an dessen Ende eine einzelne Blüte steht. Unterhalb der Blüte befinden sich am Grunde miteinander verwachsene, zottig behaarte, tief eingeschnittene Hochblätter.
Die glockenförmigen Blüten erweitern sich mit der Dauer der Blühzeit schüsselartig.
Nun werden die dottergelben Staubblätter sichtbar, die in wunderbarem Kontrast zu der leuchtend purpurn oder violett gefärbten Blütenhülle stehen, die nicht in Kelch und Krone unterteilt ist.
Stiel, Hochblätter und die Außenseite der Blütenhüllblätter sind zum Schutz gegen übermäßige Verdunstung mit langen, feinen Haaren besetzt. Außerdem schützen sie im zeitigen Frühjahr vor Kälte.
So wie die Haare als Verdunstungsschutz der Pflanze ermöglichen, längere Trockenperioden zu überstehen, so trägt das Wurzelwerk dazu bei, an trockenen Standorten zu überleben. Als typische Trockenpflanze dringen die Wurzeln der Küchenschelle bis in eine Tiefe von 1,5m vor und erreichen somit Wasserreserven, die für andere Pflanzen nicht mehr erreichbar sind.
Im Laufe der Blühzeit wächst der Stiel weiter und erreicht dann zur Fruchtzeit eine Höhe von bis zu 50cm.
Auch die hohen Samenstände sind sehr attraktiv. Der Samenstand besteht aus vielen kleinen, mit einem zottigen Federschweif versehenen Nüsschen, der vom Wind bis zu 80m fortgetragen werden kann. Und wenn dieser auf offenem Boden gelandet ist, wartet er mit einer Spezialität auf: Beim Wechselspiel von feucht und trocken wandert der einzelne spitze Samen durch das Ausdehnen und Zusammenziehen des Federschweifs am Boden entlang, ja er kann sich durch diese Bewegungen sogar selbstständig in die Erde eingraben, um dort später auszukeimen.
Die Küchenschelle war 1996 Blume des Jahres, um auf ihre besondere Gefährdung hinzuweisen. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Weitesgehend finden wir die natürlichen Vorkommen in geschützten Gebieten. Die Aufgabe der extensiven Nutzung (Mahd oder Beweidung) vieler Hangwiesen und der gleichzeitig hohe Nährstoffeintrag durch eine zunehmende Düngung führte unweigerlich zu einer Veränderung der artenreichen Magerrasen.
Aufkommende Gehölze beschatten den Standort der sonnenhungrigen Küchenschelle und stark wachsende Gräser verdrängen diese konkurrenzschwache Art von ihrem Standort. Dadurch wird sie immer seltener und ist in ihrem Bestand weiterhin stark gefährdet. Ihre besondere Attraktivität wurde ihr leider auch zum Verhängnis. So wurden die Bestände dieser hübschen Blume durch Pflücken und Ausgraben, was nach der Bundesartenschutzverordnung verboten ist, ebenfalls stark dezimiert.
Das Angebot von echten Küchenschellen in gut sortierten Staudengärtnereien macht diese Frevelei überflüssig und jeder kann sich heute an ihrem Anblick auch im heimischen Garten, besonders in Steingärten, erfreuen.
Letztendlich ist der Schutz und der Erhalt der natürlichen Standorte unabdingbare Voraussetzung für die weitere Bewunderung dieser wunderschönen Pflanze in der freien Natur.
Text und Fotos: Ingo Stiegemeyer