Sie haben schon immer die Aufmerksamkeit des Menschen auf sich gezogen. Sie tauchen plötzlich wie aus dem Nichts auf, um gleich darauf wieder blitzartig zu verschwinden. Sie sind Meister der Verwandlung und ihr Verhalten ist vielfältig und faszinierend. Ihr ganzes Leben, bis auf einen Sommer, verbringen sie unscheinbar im Wasser, wo sie, ebenso wie außerhalb, ihrer räuberischen Tätigkeit unerbittlich nachgehen. Sie sehen alles, werden selbst aber nur in der kurzen, wasserlosen Zeit wahrgenommen. Sie sind Akrobaten der Lüfte und ihr reißender Flug wird von einigen durchaus als bedrohlich empfunden. Ihr Äußeres ist in dieser Zeit von einer faszinierenden Farbenvielfalt geprägt.
Die Rede ist natürlich von den farbenfrohen Libellen (Odonata). In der großen Gruppe der Insekten zählen sie wohl mit zu der interessantesten Tiergruppe, wie die eingehende Beschreibung bereits vermuten lässt.
"Libellen sind nicht nur bedeutsame Indikatoren für den Zustand der Natur und damit eine wichtige Tiergruppe für den Naturschutz, sondern für den Beobachter, ob Fachmann oder Laie, spektakuläre und attraktive Geschöpfe der Natur." (Zitat aus: Dietmar Glitz - Libellen in Norddeutschland)
Man teilt die Libellen in 2 Gruppen ein: Großlibellen (Anisoptera) und Kleinlibellen (Zygoptera).
Wie die Namen vermuten lassen, dient zunächst die Größe als wichtigstes, aber nicht alleiniges Unterscheidungsmerkmal.
Bei den Großlibellen fallen noch die großen Augen auf, die fast den gesamten Kopfbereich ausfüllen und meistens aneinanderstoßen. Sie erinnern bei genauerer Betrachtung an ein "Teesieb". Diese sogenannten Facetten- oder Komplexaugen bestehen aus vielen tausenden, winzigen, secheckigen Einzelaugen, den Omatidien, die zusammen das typische Libellenauge ergeben. Bei einigen Libellenarten besteht es aus bis zu 30.000 Einzelaugen.
Da die Augen der Libellen und der anderen Insekten nicht, wie bei uns, frei beweglich sind, nimmt jedes Einzelauge einen anderen Teil der Umgebung wahr. Außerdem ist der Kopf der Libellen extrem beweglich, wodurch dieser scheinbare Nachteil ausgeglichen wird. Diese Facettenaugen sind dafür verantwortlich, dass Libellen sehr gut sehen, eine fast Rundumsicht haben und schnelle Bewegungen wie in "Zeitlupe" wahrnehmen. Dadurch sind sie bestens gerüstet, andere, fliegende Insekten im Flug zu erbeuten.
Die Facettenaugen der Kleinlibellen sind grundsätzlich genauso aufgebaut, nur sind die Komplexaugen kleiner und befinden sich am Kopf weit voneinander entfernt.
Beiden Gruppen gemeinsam ist der langgestreckte, schlanke Hinterleib, der sich deutlich von der Brust, mit den 6 Beinen, abgrenzt und sehr beweglich ist. Der "nadelförmige" Hinterleib führt immer wieder zu der fälschlichen Annahme, Libellen könnten stechen. Dies ist völliger Unsinn, denn Libellen besitzen keinerlei dafür notwendige "Werkzeuge".
Libellen können nicht stechen!
Der Hinterleib der Libellen erfüllt jedoch mehrere Funktionen. Er stabilisiert den Flug, enthält die Geschlechtsorgane und dient der Paarung.
Die Flügel der Großlibellen sind gegenüber den Kleinlibellen deutlich verbreitert und das Paar Vorderflügel unterscheidet sich von dem der Hinterflügel.
Libellen gelten als die vollkommensten Lufttiere der Jetztzeit. Ihre Flugmanöver erregen besondere Aufmerksamkeit und sie sind die am schnellsten fliegenden Insekten. Ihr Flug ist äußerst präzise und ist technisch, auch vom Menschen, unerreicht. Durch ihre vier, unabhängig voneinander beweglichen Flügeln sind sie in der Lage, Flugbewegungen in alle Richtungen auszuführen und sogar in der Luft stehenzubleiben (Rüttelflug). Aus dieser Position können sie dann ansatzlos und pfeilschnell dahinschießen. Viele Arten putzen sich im Flug, fangen dabei Nahrung, begatten sich und legen Eier ab.
Ab Mai bis September/Oktober sind die Libellen am bzw. in der Nähe von Gewässern zu beobachten. In dieser Zeit erfolgt die Paarfindung, Paarung und Eiablage. Die fliegenden Libellen, mit Ausnahme einer Art, der Winterlibelle, sterben noch im gleichen Jahr.
Bei der Paarfindung fliegt das Männchen über ein weibliches Tier, landet auf seinem Rücken und umschließt mit den Beinen den Brustabschnitt. Dann krümmt es seinen Hinterleib, an dessen Ende sich arttypische Greifzangen befinden, und umschließt damit die Vorderbrust, direkt hinter dem Kopf, des Weibchens und verankert sich damit. Es entsteht das typische Libellen-Tandem.
Bei der Geschlechterdifferenzierung hilft häufig die unterschiedliche Farbgebung und der fehlende "Zangenapparat" am Hinterleibsende.
In dieser Tandemformation fliegen beide das Revier ab. Dabei krümmt zunächst das Männchen mit angekoppelten Weibchen seinen Hinterleib so stark, dass es das Sperma vom Hinterleibsende (9. Segment), wo es erzeugt wird, in eine Samentasche im 2. Hinterleibssegment füllen kann. Dieser Vorgang wird Praecopula (Vorpaarung) genannt.
Nach diesem Spermientransfer, der nur wenige Minuten dauert, kommt es anschließend zu einer weiteren Besonderheit, dem sogenannten Paarungsrad. Das Weibchen krümmt nun ihrerseits den Hinterleib nach vorne zum 2. Hinterleibssegment des Männchens und verankert sich dort. Das Paarungsrad erinnert optisch aber mehr an ein "Herz".
Nach erfolgter Spermienübernahme löst sich das Paarungsrad. Je nach Libellenart erfolgt jetzt die Eiablage in der Tandemformation oder gelöst unter Bewachung des Männchens. Bei einigen Kleinlibellen kommt es sogar vor, dass bei der Eiablage das gesamte Tandem unter Wasser abtaucht.
Die Eiablage als solches geschieht recht unterschiedlich. Entweder werden die Eier einfach ins Wasser fallen gelassen oder an Pflanzenteile unter oder über Wasser angeheftet.
Mit der Eiablage beginnt ein neuer Libellenzyklus. Aus dem Ei entwickelt sich eine Larve, die sich mehrmals häutet. Je nach Libellenart leben diese Larven 2 Monate bis zu 5 Jahre im Wasser. Sie ernähren sich hier von anderen Wasserinsekten.
Manche Arten versenken sogar die Eier mit Hilfe eines "Legebohrers" in Pflanzenteile. Hier bei der Glänzenden Binsenjungfer an einer Binse zu sehen.
Eines frühen Morgens im Mai-September kriecht die Larve an einem Pflanzenstängel, über die Wasseroberfläche, empor. Hier verankert sie sich mit den Beinen und verharrt unbeweglich, scheinbar tot, um dann die faszinierenste und unerklärlichste Verwandlung (Metamorphose) zum Vollinsekt (Imago), der fliegenden Libelle, durchzuführen. Da Libellen kein Puppenstadium, wie z.B. unsere Schmetterlinge, zeigen, spricht man auch von einer unvollkommenen Verwandlung.
Die Libellenlarve der Vierfleck-Libelle hat sich an einem Seggenblatt verankert. Die sich über mehrere Stunden hinziehende "Geburt" der Libelle beginnt. Das Rückenteil platzt im Brustbereich auf und erste Teile des Vollinsekts werden sichtbar.
Im weiteren Verlauf schiebt sich das zu einer Libelle umgewandelte Insekt langsam aus seiner Larvenhülle, der Exuvie. Erste Körperteile werden erkennbar.
Die Libelle ist fast ganz aus ihrer Larvenhülle heraus. Nur noch ein Teil des Hinterleibes befindet sich noch in der Exuvie.
Damit die Libelle nicht abstürzt und ins Wasser fällt, vollzieht sie nun einen eleganten Aufschwung.
Die Vierfleck-Libelle sitzt jetzt auf der Exuvie. Die Flügel sind bereits deutlich zu erkennen, aber noch nicht vollständig entfaltet.
In den Körper und in die Flügel wird jetzt vermehrt Flüssigkeit gepumpt und die Libelle erreicht sehr langsam ihre endgültige Größe. Der gesamte Körper ist noch sehr weich und gegen mechanische Einwirkungen sehr empfindlich. Der Chitinpanzer muss erst noch aushärten.
Während dieses Trocknungs- und Aushärtungsprozesses erhält die Libelle langsam ihre typische Färbung. Die charakteristischen vier dunklen Flecken in den Flügeln sind bereits erkennbar. Daher auch ihr Name "Vierfleck-Libelle".
Nach einiger Zeit zeigt sie sich in ihrer vollen Pracht. Die Flügel sind weit ausgebreitet. Der Härtungsprozess ist abgeschlossen. Kurz vor dem Abflug beginnt die Libelle mit ihren Flügeln kräftig zu "zittern" und dann geht es los.
Text und Fotos: Ingo Stiegemeyer
Viele Libellenarten sind hoch spezialisiert und reagieren empfindlich auf Lebensraumveränderungen. Deshalb sind viele unserer Libellenarten auch akut gefährdet und stehen bereits auf der Roten Liste.
Mit 85 Libellenarten in Mitteleuropa ist diese Insektengruppe recht überschaubar und eignet sich deshalb gut für eine schnelle Einarbeitung.
Möchtet ihr mehr über Libellen erfahren und wissen, welche Libellen bei euch am Gartenteich oder in der Umgebung so leben, dann empfehle ich euch das NABU-Bestimmungsbuch von Dietmar Glitz.
Bezugsadresse: hier
Quellen:
Glitz, D.: Libellen-Geländeschlüssel für Rheinland-Pfalz und das Saarland, NABU, Mainz 2009
Glitz, D.: Libellen in Norddeutschland - Geländeschlüssel, NABU 2012
Glitz, D.: Libellen in Mitteleuropa - Geländebestimmung in Stichworten, NABU 2012
Arnold, A.: Wir beobachten Libellen, Harri Deutsch Verlag, Frankfurt 1990
Wendler, A. & Nüß H.: Libellen, Deutscher Jugendbund für Naturbeobachtungen, Hamburg 1992
Dreyer, W.: Die Libellen, Gerstenberger-Verlag, Hildesheim 1986
Internet: Wikipedia und www.libelleninfo.de